Es schadet eigentlich nie, ein paar Vorräte im Haus zu haben. Aber gerade jetzt entsteht der Eindruck, alle horten Spaghetti und Tomatensoße – und dann gibt’s nichts mehr zu essen. Das ist natürlich Quatsch. Denn die leeren Supermarktregale sind eher ein logistisches Problem: Die Nachfrage hat gerade stark zugenommen – und die Lieferungen kommen nicht nach. Und die Regale können auch nicht schnell genug nachgeräumt werden. Trotzdem bleibt bei vielen, die jetzt aufgrund der Corona-Pandemie länger zu Hause bleiben sollen ein mulmiges Gefühl.

Und deshalb spreche ich mit der veganen Köchin und Ernährungsberaterin Ruth Deckers darüber, welche Alternativen es zu Spaghetti und Tomatensoße gibt. Denn gerade Hülsenfrüchte lassen sich gut bevorraten. Um konkrete Kochrezepte geht es hier aber nicht. Vielmehr ums richtige Einweichen, Kochen und Haltbarmachen von Linsen, Bohnen und Kichererbsen. Und zwar für Menschen wie mich. Menschen, die keine Wochenpläne machen, eher spontan einkaufen und nicht mal wissen, wie viel sie eigentlich überhaupt im Haus haben müssten, um davon – sagen wir mal – eine Woche zu leben.

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Seit sechs Jahren arbeitet Ruth Deckers als Köchin und ist dabei spezialisiert auf vegetarisches und vegane Gerichte. Außerdem ist sie Ernährungsberaterin, hat ein Diplom in Sportlerernährung und kocht nach der 5-Elemente-Lehre, die Bestandteil der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) ist. Und das alles noch kombiniert mit geretteten Lebensmitteln.

„Überall, wo ich sehe, dass Lebensmittel weggeschmissen werden, rette ich die und bring die oft zu „The Good Food“ oder verteil die bei Nachbarn.“

Ruth Deckers

Und bevor ich weiter Kartoffelschalen wegschmeiße, hat Ruth Deckers dafür auch noch einen Tipp – frittieren! Und dann schön als Chips auf der Couch snacken. Da schlägt das Herz von Wedges-Liebhaber:innen gleich höher.

Aber eigentlich habe ich Ruth Deckers in den Podcast eingeladen, weil ich ein handfestes Problem habe. Ich bin weder eine Küchenheldin, noch besonders organisiert. Das heißt, ich hab zwar Vorräte, das aber eher so nach einem zufälligen Prinzip. Und ja, ich geb’s zu, gerade habe auch ich das Bedürfnis, mehr im Haus zu haben. Einfach, damit ich nicht mehr so häufig einkaufen gehen muss. Vor der Corona-Pandemie bin ich fast jeden Tag einkaufen gegangen. Ich hab einfach nur auf den aktuellen oder maximal auf den nächsten Tag geschaut, was ich gerne essen möchte, und was ich dafür grade brauche. Das war auch gut, denn mein leben als freie Journalistin ist nicht immer so planbar. Vorkochen und dann drei Tage nicht zu Hause essen, ist halt nicht sinnvoll.

Jetzt sieht das deutlich anders aus und ich frage mich: Was sollte ich bevorraten? Nudeln und Tomatensoße sind zwar schnell gekocht. Aber mal ganz ehrlich: Wer ernährt sich zwei Wochen lang davon? Mal davon abgesehen, dass das nicht meinen Ansprüchen an eine gesunde und ausgewogene Ernährung entspricht. Denn gerade jetzt sollten wir unseren Körper und unser Immunsystem fit halten. Sagt zumindest die Sportwissenschaftlerin in mir. Die andere Hälfte möchte mit Chips und Schokolade auf der Couch sitzen und Netflixen.

Also überlege ich, was sich gut bevorraten lässt – und möglichst wenig Platz wegnimmt, weil es nicht unnötig verpackt ist. Und da stehen getrocknete Hülsenfrüchte ziemlich gut da. Bekommt ihr im Unverpackt-Laden (Grundnahrungsmittel sind da ähnlich teuer wie im Bioladen), sind regional – und halten sich einfach ewig. Aber … wie koch ich die eigentlich richtig?

Linsen für Anfänger:innen

Ruth Deckers hat hier den ultimativen Tipp für alle Bevorratungsanfänger:innen: Linsen! Die muss man nämlich nicht vorher einweichen – also keine Vorplanung nötig. Gibt bei mir schon mal Bonuspunkte.

„Linsen haben sehr gutes Eiweiß. Wenn man die mit Getreide zusammen kocht, dann haben die das gleiche Eiweiß wie Fleisch. Das heißt, die machen uns lange satt, die geben uns noch Mineralstoffe dazu und die sind einfach und lecker zuzubereiten.“

Ruth Deckers

Außerdem lassen sich Linsen zu sehr vielfältigen Gerichten verarbeiten. Wir gehen hier nicht auf einzelne Rezepte ein, aber Ruth Deckers hat ein paar Anregungen: indisches Dal zum Beispiel, das es in Indien eigentlich zu jeder Tageszeit gibt, frittierte Linsenbällchen, Pfannkuchen aus gemahlenem Linsenmehl – das sind nur ein paar wenige Beispiel für die Vielfalt von Linsengerichten. Und dann gibt es ja noch ganz unterschiedliche Sorten von Linsen. Ich hab allein vier Sorten zu Hause: Belugalinsen, braune Linsen, rote Linsen und gelbe Linsen – reicht für mindestens eine Woche.

Mein Linsenvorrat

Damit es richtig gut schmeckt, empfiehlt Ruth Deckers gute Gewürze und da dürfen es ruhig auch fertige Gewürzmischungen sein wie Garam Masala oder einfach Currymischungen. Dazu gehört auf jeden Fall Getreide in irgendeiner Form, wie zum Beispiel Reis, aber auch Fladenbrote wie Naan oder Roti, die sich ganz einfach in der Pfanne backen lassen. So ein gebackenes Fladenbrot gibt es übrigens in fast allen Kulturen. Und überall besteht es ungefähr aus den gleichen Grundzutaten: Mehl, Wasser und irgendein Fett.

„Man kann auch einfach ein Mehl und Wasser und ein bisschen Öl zusammenmanschen und dann in die Pfanne, dann hat man auch ein Roti. Das ist ein dünnes Fladenbrot. Das kriegt eigentlich jeder hin.“

Ruth Deckers

Der Klassiker unter den Linsengerichten ist übrigens die gute, alte Linsensuppe. Wer da auf Würstchen verzichten möchte, aber den Geschmack von Geräuchertem mag, kann zum Beispiel Räuchertofu mit dazu geben. Oder Seitanwürstchen selber machen. Denn Seitan gibt es als fertiges Pulver, das nur noch mit Wasser verarbeitet werden muss. Danach kommt das Ganze in der gewünschten Form zum Beispiel für 30 Minuten in kochendes Wasser mit Gemüsebrühe. Wer es cross mag, kann Seitan auch anbraten und zum Beispiel mit Sojasoße ablöschen. Allerdings sollten Menschen mit Glutenunverträglichkeit keine Seitanprodukte essen. Denn im Prinzip ist Seitan pures Gluten.

Getrocknete Kichererbsen und Bohnen für Anfänger:innen

Das wichtigste bei getrockneten Hülsenfrüchten ist: Die müssen mehrere Stunden eingeweicht werden. Am besten über Nacht. Wer das hat – oder in nächster Zeit besorgen möchte – kann ein Stück Kombu-Alge ins Einweichwasser geben. Die sorgt dafür, dass wir die Hülsenfrüchte besser verdauen können und gibt zusätzlich noch ein paar Mineralstoffe ab. Wer keine Kombu-Alge hat, gibt einfach ein bisschen Natron ins Wasser, um die Kochzeit zu verkürzen.

„Wir weichen die Kichererbsen über Nacht ein und kochen die für zwei Stunden. Minimum. Mit dem Einweichwasser.“

Ruth Deckers

Thema Einweichwasser: Es gibt Anleitungen zum Kochen von Hülsenfrüchten, die sagen, dass man das Einweichwasser wegschütten soll. Wenn da Kombu-Alge drin ist, kann man das aber auch zum Kochen verwenden. Wer gut ausgestattet ist, kann auch einen Schnellkochtopf nehmen. Da kochen die Kichererbsen dann nur 15 Minuten. Das ist eine so enorme Zeitersparnis. Und für so Chaoskinder wie ich eins bin, die hibbelig am Herd rumstehen, wäre das genau das richtige.

Für alle, die keinen Schnellkochtopf haben: Die Hülsenfrüchte einmal aufkochen und dann soweit runterschalten, dass es noch ein bisschen köchelt und den Deckel drauf machen (wichtig, sagt Ruth Deckers). Auf jeden Fall gehört genügend Wasser rein und maximal ein halber Teelöffel Natron. Da war ich in der Vergangenheit wohl auch etwas zu großzügig. Das Natron verkürzt die Kochzeit so um etwa 30 Minuten – also 90 Minuten statt 120.

Die Garzeiten hängen übrigens stark von den Sorten ab. Egal ob Bohnen, Linsen oder Kichererbsen: Es gibt viele verschiedene Sorten und die haben durchaus unterschiedlich lange Garzeiten. Also ruhig mal zwischendurch die Konsistenz überprüfen, bevor ihr euch einfach nur nach dem Wecker richtet-

Haltbar machen für Anfänger:innen

Wenn ihr nicht für jede Portion extra über Nacht einweichen und stundenlang Hülsenfrüchte kochen wollt, dann könnt ihr auch größere Mengen zubereiten. Wichtig ist, dass ihr wirklich saubere Gläser habt. Also am besten einmal die Gläser auskochen. Dann füllt ihr die gekochten Hülsenfrüchte heiß da rein und lasst die abkühlen. So halten sie sich ungefähr eine Woche.

Wollt ihr die noch länger haltbar machen, dann könnt ihr die Gläser in einem Wasserbad im Backofen bei 90 Grad eine halbe Stunde bis Stunde erhitzen. Und dann halten die sich so lange, wie Dosenkichererbsen, sagt Ruth Deckers.

„… bis die irgendwann plöpp machen, dann sind sie vergammelt. Aber das dauert so zwei bis drei Jahre.“

Ruth Deckers

Für ein Wasserbad könnt ihr die Gläser entweder in einen Topf stellen oder ein etwas tieferes Backblech nehmen. Die Gläser sollten so fünf bis zehn Zentimeter im Wasser stehen. Das Prozedere kann man mit allen Hülsenfrüchten machen, aber auch mit Obst oder Gemüse – im Prinzip für alles, was ihr einwecken wollt.

Hülsenfrüchte und Verdauung

Was viele Menschen davon abhält, Hülsenfrüchte zu essen, ist der etwas unschöne Nebeneffekt bei der Verdauung. Denn viele Menschen bekommen Blähungen, wenn sie Hülsenfrüchte essen. Das liegt aber vor allem daran, dass in unserem nordeuropäischen Speiseplan Hülsenfrüchte nicht mehr so häufig vorkommen, wie das früher mal war. Unser Verdauungssystem ist also nicht darauf trainiert, Hülsenfrüchte ordentlich zu verdauen. Und – nunja – niemand möchte pupsend und müffelnd im Büro sitzen.

„Unser Magen kann nicht verdauen, was er nicht kennt. Und je öfter wir dem Hülsenfrüchte geben, desto weniger Schwierigkeiten hat er damit, das zu verdauen.“

Ruth Deckers

Die gute Nachricht: Zum einen können wir mit Hilfe von Gewürzen wie zum Beispiel Kreuzkümmel oder Kümmel dafür sorgen, dass unser Körper Hülsenfrüchte besser verdauen kann und wir eben keine Blähungen davon bekommen. Und auch die lange Kochzeit ist wichtig, damit Hülsenfrüchte bekömmlicher werden. Zum anderen lernt unser Körper mit der Zeit, Hülsenfrüchte besser zu verdauen. Das kann allerdings bis zu einem Jahr dauern. Aber vielleicht lässt sich die Zeit im Homeoffice bei gutem Wetter und offenem Fenster ja dafür nutzen, mit dem Training anzufangen.

„Wenn man damit anfängt, Linsen zu essen ein bis zwei Mal pro Woche und sich dann steigert auf Kichererbsen oder dunkle Bohnen – ich sag mal: Nach einem Jahr müsst ihr nicht mehr davon pupsen.“

Ruth Deckers

Vorräte organisieren

Wer gerade jetzt während der Corona-Pandemie nicht allzu oft einkaufen gehen möchte, bislang aber eben sehr spontan entschieden hat, was es zu essen gibt, für den oder die hat Ruth Deckers einen Tipp: Einfach sonntags oder montags mal nachgucken, was an Vorräten noch da ist und was vielleicht nachgefüllt werden muss. Vor allen bei den Grundnahrungsmitteln wie Reis, Couscous, Linsen, Mehl, Haferflocken, Nudeln, etc.

„Gut ist, wenn man so eine Auswahl da hat, damit einem nicht so schnell langweilig wird.“

Ruth Deckers

Für einen Ein-Personen-Haushalt empfiehlt Ruth Deckers immer so 500 Gramm je Grundnahrungsmittel zu kaufen, wenn etwas zur Neige geht. Das reicht dann auch länger als eine Woche, wenn man für Abwechslung sorgt, aber dann ist immer ein Grundstock an Vorräten da. Alle drei Tage kommt dann frisches Gemüse dazu. Gerade im Frühjahr gerne knackiges grünes Gemüse wie Brokkoli, mit Fenchel oder Pak Choi lassen sich auch leckere Sachen zaubern – aber egal wofür ihr euch entscheidet. Ein Kilo Gemüse reichen für eine Person ungefähr drei Tage. Da kommt ihr also gut mit hin.

Suppen kochen

Wer abends gerne noch was Warmes essen möchte, aber keinen Bock auf große Kocharien hat, dem empfiehlt Ruth Deckers Suppen. Auch da lässt sich hervorragend bevorraten. Einfach eine große Portion Gemüsebrühe kochen, am besten aus Gemüseresten, abseihen, heiß in Gläser füllen und nach dem Abkühlen in den Kühlschrank stellen.

„Man hat in fünf Minuten wirklich ne leckere Suppe gezaubert.“

Ruth Deckers

Für die schnelle Suppe abends empfiehlt Ruth, das Gemüse schön klein zu schneiden, dann fünf Zentimeter Wasser in einen Topf zu geben, zum Kochen bringen und dann das klein geschnittene Gemüse da rein zu geben. Mit Decke fünf Minuten kochen lassen. Dann die Gemüsebrühe dazu, ein bisschen Salz oder Gemüsebrühe rein – und schon hat man eine leckere Suppe für den Abend gezaubert.

Porridge deluxe

Nach vielen Jahren des morgendlichen Butterbrots bin ich schon seit einiger Zeit auf Porridge umgestiegen. Erst hab ich fertige Mischungen im Supermarkt gekauft, inzwischen mixe ich auch mein Porridge selber zusammen und statt Hafer- oder Mandelmilch kommt inzwischen nur noch heißes Wasser drauf. Süße gibt’s von Bananen. Fertig. Aber selbst das lässt sich problemlos optimieren, Dank der Anregungen von Ruth Deckers. Die Köchin bevorzugt Pflanzenmilch für ihr Porridge, weil die oft noch ein bisschen Süße mitbringt. Außerdem schneidet sie Trockenfrüchte mit rein oder frisches Obst wie zum Beispiel einen Apfel und verfeinert das Ganze mit Zimt und Vanille oder Kurkuma. Auch eine Hand voll Nüsse darf mit rein.

„Gerade jetzt würde ich Kurkuma reinmachen. Das ist entzündungshemmend und stärkt uns. Eine Prise Pfeffer hebt die Wirkung des Kurkuma noch.“

Ruth Deckers

Einen Pro-Tipp hat die Köchin noch, um den Stoffwechsel beim Übergang vom Winter in den Frühling zu unterstützen: Frische Kräuter. Gerade jetzt im Frühjahr wächst überall Bärlauch, aber auch Gundermann (ja, das ist ein Kraut) oder Brennnessel unterstützen den Stoffwechseln. Alle Kräuter wachsen wild und lassen sich auch in der Stadt pflücken, wenn man weiß, wo. Tipps gibt es bei Anbietern von Wildkräuter-Spaziergängen. Die Kräuter kann man zum Beispiel zum Salat dazu geben. Oder, wie im Fall der Brennnessel, als Tee trinken.

Hamstern ist eine normale Reaktion

Was Ruth Deckers zum Schluss des Gesprächs noch ein Anliegen war: Dass so viele Menschen jetzt hamstern ist eine normale Reaktion auf die Situation. Die Corona-Pandemie sorgt bei vielen Menschen für große Unsicherheit. Wir wissen nicht, wie lange der Zustand andauern wird und versuchen, irgendwie die Kontrolle über die Situation zurück zu gewinnen und uns für den Notfall zu rüsten.

„Lebensmittel geben uns Sicherheit. Volle Schubladen, volle Schränke geben uns Sicherheit.“

Ruth Deckers

Das Bedürfnis ist also mehr als verständlich. Auch deshalb gibt es diesen Podcast. Denn bei allem Bedürfnis nach Sicherheit: Je vielfältiger wir uns auf die Situation einstellen können, desto fairer lassen sich Lebensmittel verteilen. Und ich hoffe, ihr habt hier einige Optionen und Anregungen erhalten für den Fall, dass es gerade keine Nudeln in eurem Supermarkt gibt und auch die Dosen mit Tomaten ausverkauft sind.

Linkliste:

Meine Lieblingsquellen für Rezepte sind:

Wer bislang noch nie Naan gemacht hat: Das Rezept hier hab sogar ich hinbekommen.