Einen neuen Podcast zu starten, ist ja immer eine ziemlich spannende Sache. Und vor allem gibt es so einiges zu bedenken, bevor es wirklich losgehen kann. Zum Beispiel, was den Klang angeht. Für mich braucht ein Podcast unbedingt eine Erkennungsmusik. Und genau das mit der Musik ist in Deutschland nicht ganz so einfach. Zu meinem großen persönlichen Glück kenne ich eine Musikerin, die mir da jedes Mal aus der Patsche hilft: Anja Arnold.

Anja hat schon die Musik zu meinem allerersten Podcast gemacht: Die Anachronistin. Damals hatte ich wirklich so gar keine Ahnung, was ich machen will. Aber ich wusste ziemlich schnell: Ohne die richtige Musik wird das eine ziemlich trockene Veranstaltung. Also habe ich Anja gefragt, ob sie mir helfen kann. Und heute kann ich sagen: Ohne Anjas Musik wäre dieser Podcast einfach nicht annähernd so atmosphärisch, wie er nunmal klingt. Und vielleicht auch niemals für den Grimme Online Award nominiert worden.

Es war also nur logisch, dass Anja auch die Musik für diesen Podcast hier schreibt – und die Ehre hat, meine erste Interviewgästin zu sein. Denn Anja kann natürlich viel, viel mehr als gute Podcast-Musiken schreiben. Und sie macht einen Job, von dem nicht viele Menschen eine genaue Vorstellung haben – inklusive meiner Wenigkeit. Und das, obwohl ich Anja jetzt schon über zehn Jahre kenne. Höchste Zeit also, mal einen tieferen Einblick in ihren Job als Musikerin zu bekommen.

Witzigerweise war es gar nicht so leicht, jemanden zu interviewen, mit dem ich eigentlich befreundet bin. Und Anja war die Situation zu Beginn dann auch gar nicht so angenehm. Von daher: Sorry dafür, Anja – und Danke fürs Durchhalten!

„Musik war eine gute Möglichkeit, meinen Perfektionismus auszuleben. Das hat mir am meisten Spaß gemacht glaube ich: Den Punkt zu erreichen, wenn es gar keinen Bock mehr gemacht hat. Wenn es gar keinen Bock bringt, dann ist es am besten. Dann kommt man wirklich weiter.“

– Anja Arnold –

Angefangen hat Anja, wie viele andere Kinder auch, mit der Blockflöte. Mühsames Rumgefiepe unterm Weihnachtsbaum gabs aber im Hause Arnold nicht. Denn Anja ist einfach wirklich, wirklich ehrgeizig – und, wie sie selbst sagt, perfektionistisch. Nach der Blockflöte musste die Gitarre her. Zum einen, weil die Blockflöte nur begrenzte Möglichkeiten hat, wenn es darum geht, Harmonien zu erzeugen. Zum anderen aber auch, weil Anja großen Spaß an Musik hatte, die aus den klassischen Mustern ausbricht. Über ihren Vater, der selber Bass spielt, kommt sie mit den Rock-Größen der 70er und 80er Jahre in Berührung:

Beatles, Rolling Stones, Queen – da waren ja ganz neue Ideen, die nicht bei mir im Notenheft standen und die muss ja auch irgendwer mal bedacht haben.

– Anja Arnold –

Und sie beschließt: Das will ich auch können. So richtig Gitarrenunterricht hat sie damals nicht. Vieles von dem, was sie kann, bringt sie sich selber bei. Eine echte Autodidaktin. Hin und wieder zeigen ihr Musiker, die Kunden ihres Vaters sind, ein paar Griffe. Aber Anja sieht das nicht als Nachteil an. Im Gegenteil. Für sie bedeuten die unterschiedlichen Lehrer, die mehr oder weniger zufällig ihren Weg kreuzen, eine unglaubliche Vielfalt aus der sie schöpfen kann.

Folgerichtig studiert sie in ArtEZ University of the Arts in Enschede Popmusik. Dort wird schon bei der Aufnahmeprüfung vor allem darauf geachtet, wer teamfähig ist und gut netzwerken kann. Natürlich zählt auch musikalisches Können. Aber in der Pop-Uni in den Niederlanden geht es mehr um das Entwicklungspotential der Bewerber als um das schleifen bereits sehr gut ausgebildeter Musiker:innen.

Und so lernt Anja nicht nur alles, was sie übers Songs schreiben und Instrumente spielen wissen muss. Es sind vor allem Skills gefragt wie Netzwerken oder eine Band zusammenstellen und führen. Wer von Beruf am liebsten berühmt sein möchte, der ist auf jeden Fall falsch am ArtEZ, sagt Anja. Aber die meisten merken das auch schnell.

Zwischen Musikschule und Musicalbühne

Anja Arnold als Jennifer Batten im Musical Beat it

Anja Arnold als Jennifer Batten im Musical Beat it | © Harald Fuhr

Nach dem Studium eröffnet Anja dann in Köln ihre eigene Musikschule. Da ist sie gerade mal Mitte Zwanzig. Kein ganz einfacher Schritt. Das fängt schon damit an, dass Räumlichkeiten gefunden werden müssen, in denen es zum Beispiel niemanden stört, wenn Schlagzeug gespielt wird. E-Gitarre ist bei vielen Vermietern auch nicht allzu beliebt. Aber irgendwann findet Anja die passenden Räumlichkeiten in der Kölner Südstadt und eröffnet ihr „Klangbüdchen„. Nach und nach wachsen die Anzahl der Schüler und Musiklehrer – und damit auch die Verantwortung.

„Man arbeitet dann einfach seine 10-12 Stunden am Tag und teilweise am Wochenende durch, um sich noch mal neue Sachen auszudenken und am Ende des Monats wars noch nicht mal ein 450 Euro-Job. Aber die Zeit muss man eben durchmachen.“

– Anja Arnold –

Und während ich mir das nur wenig romantisch vorstelle, jeden Tag unmotivierten und pubertierenden Musikschüler:innen zu erklären, dass es wirklich schön wäre, wenn sie üben würden – vielleicht denke ich da auch zu sehr an meine erfolglose Karriere als Musikschülerin – , leuchten Anjas Augen, wenn sei vom Unterrichten erzählt. Denn am Ende, sagt sie, geht es gar nicht um „gute Musik“. Es geht darum, dass ihre Schüler Spaß haben und einen Ausdruck finden. Und das geht auch schon mit drei oder vier Tönen.

„Es geht ja nicht darum, dem Schüler zu zeigen, was du selbst kannst. Sondern was er kann. Das finde ich so schön zu sehen, wenn Leute entdecken, was Musik ist, und was Musik mit einem machen kann, wenn man sie selbst fabriziert.“

– Anja Arnold –

Natürlich hat Anja in der Zwischenzeit immer wieder auch auf der Bühne gestanden. So ist sie zum Beispiel lange Jahre mit der Prog-Rock-Band „Path of Genesis“ unterwegs gewesen, die sich den Stücken aus der Frühzeit der Band „Genesis“ verschrieben hat. Und natürlich stecken Musiker:innen ständig in irgendwelchen Projekten. Den Schritt auf die ganz große Bühne hat Anja aber in diesem Sommer gemacht. Denn sie ist die Erstbesetzung für die Gitarristin Jennifer Batten im Michael-Jackson-Musical „Beat it!„. Und damit beginnt ein ganz neues Kapitel in Anjas Karriere als Musikerin.

Im Sommer war sie vier Wochen lang zu Proben in Berlin. Vier Wochen, in denen sie vor allem die Trainingshallen gesehen hat – 10 bis 12 Stunden täglich. Denn die Songs zu spielen ist das eine. Das andere ist, dabei durch die Gegend zu springen, zu performen und sich auf der Bühne synchron mit einem kompletten Ensemble zu bewegen. Eine Erfahrung, für die Anja ziemlich weit aus ihrer Komfortzone rausrücken musste, die ihr aber auch unglaublich viel Spaß und neue Erfahrungen beschert hat.