Sportartikelhersteller Nike präsentiert eine Auswahl an Outfits für Athlet*innen bei den Olympischen Spielen in Paris 2024. Einige dieser Outfits sind so knapp, dass schnell Sexismus im Raum steht. Vor allem Athletinnen machen sich darüber lustig und werfen Nike Sexismus vor – und viele Medien springen auf diesen Zug auf. Ob das ein von Nike kalkulierter Skandal ist, bleibt schwer zu sagen. Über diese Outfits diskutieren lässt sich natürlich trotzdem. Auch wenn wir die Diskussion in dieser Podcast-Folge ein wenig öffnen wollen.

Zu Gast: Theresa Lachner ist Journalist, Podcasterin, Buchautorin, systemische Sexualberaterin und Gründerin von Deutschlands größtem Sexblog Lvstprinzip. Ihr findet sie zum Beispiel unter @lvstprinzip auf instagram. Da erfahrt ihr zum Beispiel, wenn sie in ihrem Lvstprinzip-Podcast über Künstliche Intelligenz im Zusammenhang mit Sexualität spricht. Oder darüber, warum Haare auf dem Kopf einer Frau sexy sind – überall sonst am Körper aber verpönt sind. Und in dieser Folge „Mensch, Frau Nora!“ geht es um Sexismus im Sport.

Die Rahmenbedingungen: Zwei Outfits des Sportartikelherstellers Nike machten in sozialen Netzwerken die Runde und riefen massive Empörung hervor. Beide Outfits hatten einen extrem hohen Beinausschnitt und führten zu Kommentaren wie: „My hoo haa is gonna be out“ von Tara Davis-Woodhall. Jemand anders kommentierte unter einem Post bei instagram: „My labia fighting for which one gets to be in the suit.“ Es folgte ein Shitstorm gegen Nike und eine Debatte über Sexismus im Sport, die wir eigentlich tagtäglich führen könnten – nicht nur in solchen Fällen.

Der Kontext: Allerdings hatte Nike nicht nur diese beiden Outfits zur Wahl gestellt, sondern über 20 verschiedene Outfits für Athlet*innen und Para-Athlet*innen mit verschiedenen Körperformen und Anforderungen an ihre Wettkampfbekleidung. Auch die deutsche Weitspringerin Malaika Mihambo war darunter und wählte eines der knapperen Outfits – sowohl für die Präsentation als auch für ein Foto auf ihrem instagram-Profil. Und das ist ihr gutes Recht. Sie sagt, sie fühle sich wohl in diesem Outfit.

Das Outfit, das aber die meiste Kritik erhielt, wurde gar nicht von einer Athletin getragen. Es ist ein blau-weiß-rot gestreifter Einteiler, der an einen Badeanzug erinnert. Das Outfit wird an einer Schaufensterpuppe präsentiert. Und dort sieht es tatsächlich so aus, als würde die Vulva damit nur unzureichend bedeckt werden können – geschweige dann als würde das Outfit an seinem Platz bleiben, wenn eine Athletin in Bewegung ist.

Die ganze Debatte warf – zurecht – die Frage auf, ob die Athlet*innen überhaupt ein Mitspracherecht gehabt hätten, beim Design der besonders knappen Outfits. Nachdem Nike zunächst geschwiegen hatte, ist die Antwort inzwischen: Ja, bei diesen Designs hätten Athletinnen sehr wohl Mitspracherecht gehabt. Und: Niemand wird gezwungen, diese Outfits zu tragen. Man könne sich auch für die Pantys oder sogar das Männer-Outfit entscheiden. Und das Design-Team hätte insgesamt 50 Teile entworfen, die von den Athelt*innen beliebig kombiniert werden könnten. Und: Den Athlet*innen würden während des Events Schneider*innen zur Verfügung stehen, um die Outfits individuell anzupassen.

Was der Debatte bislang fehlt: Es ist richtig und wichtig, dass sich Athlet*innen kritisch zu Wort melden, wenn ihnen Outfits vorgestellt werden, die sie für problematisch erachten. Noch wichtiger aber bleibt es, sich mit dem System dahinter auseinander zu setzen. Denn die Frage ist ja, warum es eine ähnliche Debatte bei den Outfits der Männer nicht mal im Ansatz gibt. Und die Antwort ist: Weil ihre Körper nicht annähernd so sehr sexualisiert werden, wie die der Frauen. Es gibt zahlreiche Sportarten mit Kleidervorschriften, die sexistisch sind, weil sie besonders knappe Bekleidung vorschreiben. Im Beachvolleyball zum Beispiel ebenso wie im Beachhandball. Im Beachvolleyball wurde das sogar explizit mit der besseren Vermarktbarkeit begründet, wenn Frauen weniger Stoff trügen. Das ist ganz ohne Frage sexistisch.

Aber natürlich geht es auch im Leistungssport um Vermarktbarkeit. Viele Athlet*innen verdienen gut mit Sponsorenverträgen – solange sie nicht „die Frechheit“ haben, während ihrer aktiven Laufbahn schwanger zu werden und deshalb zwischenzeitlich eine sportliche Pause einzulegen (auch hier Grüße an Nike). Es geht nicht nur um die Performance auf der Bahn, sondern auch in Werbekampagnen. Um das Verkaufen und Vermarkten von Sportbekleidung, die einem Großteil der Durchschnittssportlerinnen nicht mal im Ansatz passen – oder ihren Bedürfnissen entsprechen. Und genau da kann uns die Debatte weiterführen. Denn dann sprechen wir über Zugänge und Teilhabe von Frauen und nicht-cis-männlichen Personen am Sport, deren Körper sich jenseits der Normen von Spitzenathlet*innen befinden.

Und: Wir müssen zwingend aufhören, ständig und überall die Körper von Frauen und ihre Outfits kommentieren zu wollen. Am Ende können wir dabei nur verlieren. Hier ist es zu viel – Stoff oder Körper – da zu wenig. Und deswegen sagt auch Theresa Lachner in dieser Podcastfolge: „Als Frau kannst du es halt nur falsch machen“ und weist darauf hin, dass Frauenkörper jenseits der gängigen Schönheitsnormen immer auch ein Statement sind, wenn sie in der Öffentlichkeit präsentiert werden. Und es ist an uns, zu fragen, wie wir damit umgehen wollen.

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