Julia Gámez Martín ist Sängerin, Comedienne und ein Teil des musikalischen Kabarett-Duos Suchtpotenzial. Gemeinsam mit der Musikerin und Multiinstrumentalistin Ariane Müller bringt sie Menschen zum Lachen. Wenn man sie lässt. Denn seit dem 1. November 2020 sind Bühnen, Theater und Veranstaltungshallen geschlossen. Ein „Lock Down light“ soll dafür sorgen, dass die Infektionszahlen wieder sinken, die zuletzt stark angestiegen waren.
Es ist das zweite Mal, dass die Kunst- und Kulturbranche von den Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie getroffen ist. Und obwohl auch Künstler:innen, Veranstalter:innen und Theaterbetreiber:innen die Maßnahmen grundsätzlich unterstützen – viele von ihnen bringt das in Existenznot. Unter dem Hashtag #alarmstuferot ruft die IG #Kulturerhalten deshalb auch für den 2. November 2020 zu Protesten auf. Sie fordern schnellere und besser Hilfen für Kulturschaffende und Soloselbständige, aber eben auch für Spielstätten. Denn viele von ihnen haben – wie auch die Gastronomie – massiv in Hygienekonzepte investiert. Hygienekonzepte, die nach ersten Untersuchungen gut funktionieren, wenn sich alle an die Maßnahmen halten.
Ich habe mit Julia Gámez Martín darüber gesprochen, wie es ihr während der ersten Phase der massiven Kontaktbeschränkungen und für sie beruflichen Einschränkungen ging. Wie sie sich gemeinsam mit Ariane Müller über Wasser gehalten hat. Und wie groß auch die Dankbarkeit seitens der Fans war, dass sie ihr Programm ins Digitale verlegt haben. Außerdem sprechen wir darüber, wie die Sängerin und Comedienne die Situation in Spanien erlebt hat, wo große Teile ihrer Familie leben.
Das Interview haben wir am 31. Oktober 2020 coronakonform auf der Dachterasse eines Kölner Hotels geführt.
Nach dem Shut Down ist vor dem Shut Down
Nach ihren letzten beiden Shows mit „Suchtpotenzial“ macht Julia Gámez Martín Station in Köln. Hier ist am 29. Oktober 2020 das Cologne Comedy Festival gestartet. Eigentlich sollten die Veranstaltungen rund um das Festival bis zum 7. November 2020 gehen. Jetzt bleiben gerade mal drei Tage. Unter Einhaltung strengster Hygieneregeln natürlich. Danach geht es in den „Lock Down Light“, der eigentlich eher ein Shut Down ist – zumindest für bestimmte Branchen. So zum Beispiel für alle, die einen Job im Umfeld von Kunst und Kultur haben. Wie zum Beispiel Julia Gaméz Martín. Für sie heißt es jetzt: Wieder mindestens einen Monat Abstand von der Bühne nehmen zu müssen.
Als Anfang März die ersten massiven Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie beschlossen wurden, zu denen Kontaktbeschränkungen ebenso gehörten, wie geschlossene Läden, Restaurants, Kneipen, Theater und Kinos, war das zunächst alles surreal, erinnert sich Julia Gámez Martín. Auch, weil die Information darüber, dass die Show im wahrsten Sinne des Wortes jetzt erstmal vorbei ist, aus dem Nichts kam.
„In der Pause unserer Show kam die Veranstalterin zu uns und meinte: Ab morgen ist vorbei. Und das war gruselig.“
Julia Gaméz Martín, Suchtpotenzial Comedy
Da haben Julia und Ariane gerade beim Humorzone-Festival in Dresden gespielt. Die ganze Stadt war voll mit Comediennes und Kabarettist:innen. Und plötzlich ist einfach Schluss. „Das hat sich angefühlt wie auf der Titanic das letzte Mal spielen bevor das Schiff sinkt“, sagt die Sängerin. Am Abend selber wurde noch geflachst darüber, was das wohl für Auswirkungen hat. Und dann war erst mal lange Pause.
„In dieser Pause gings emotional bergauf und bergab. Ich bin ein sehr positiver Mensch. Ich hab immer versucht auch für alle die Laune mitzuhalten.“
Julia Gaméz Martín, Suchtpotenzial Comedy
Julia und Ariane versuchen das Beste aus der Situation zu machen. Sie machen Livestreams, nehmen neue Songs auf, bekommen Aufträge von TV-Sendern. Aber vor allem die Fans halten in dieser Zeit zu ihren Künstlerinnen und zahlen digitale Eintrittsgelder für die Livestreams der beiden, so dass sie auch das Theater bezahlen können aus dem sie streamen.
„Unsere Fans haben uns unfassbar unterstützt. Wir haben mehrere tausend Euro durch die Streams eingenommen, die uns den Arsch gerettet haben.“
Julia Gaméz Martín, Suchtpotenzial Comedy
Und trotzdem gibt es Tage, an denen Julia Gaméz Martín sich fragt, wie lange das wohl so weitergehen kann, wann das aufhört, wo das enden soll. Das sind die Tage an denen sie heulend auf dem Sofa liegt und die Kraft eben nicht mehr reicht.
„Und dann gings ja wieder langsam los. Dann hatten wir erstmal Open Air Shows, was sich total gut angefühlt hat.“
Julia Gaméz Martín, Suchtpotenzial Comedy
Der erste Auftritt für Suchtpotenzial ist im Frühsommer in Bayenfurth in einem Hoftheater. Die Leute saßen weit verstreut. An Biertischen oder auf der Wiese. Ein bisschen so, wie vor sechs oder sieben Jahren als Ariane Müller und Julia Gaméz Martín angefangen haben mit ihren Shows. Back to the roots sozusagen. Wenig Zuschauer, aber eine Menge Energie, so erzählt es Julia. Und irgendwie sind die Menschen aus hungrig nach Unterhaltung und bereit, die fehlenden Zuschauer durch eigene Lautstärke wieder wett zu machen.
Auch Autokinokonzerte gehörten zum Comeback nach der Coronapause. Auch das eine witzige Erfahrung, aber Kabarett lebt von der Resonanz des Publikums. Und im Autokino sind die Menschen weit weg, so dass man sie nicht hört und nicht sieht. Das ist einfach was anderes.
Erste Auftritt im Herbst
Mit dem Herbst ging es dann zurück in die Theater und damit in die Innenräume. Eine Umstellung. Denn das Programm von Suchtpotenzial lebt auch davon, dass das Publikum sich aktiv beteiligt und zum Beispiel mitsingt. Je nach Bundesland ist das aber nicht erlaubt.
„Und am Ende hatten wir dann eine Nachricht im Postfach: Ja, das ist jetzt nicht so gut, dass ihr im Innenbereich zum Mitsingen animiert.“
Julia Gaméz Martín, Suchtpotenzial Comedy
Es ist zwar keine Frage, dass das Mitsingen dann eben ausfallen muss. Aber es ist eben ein Umstellung. Und etwas, das vorher so selbstverständlich war, dass sich die beiden da vorher keine Gedanken zu gemacht hatten. Auch die Hygieneregeln, die eingehalten werden müssen, sind überall anders. Mal spielen sie ihr Programm mit Pause, weil der Saal durchgelüftet werden muss. Mal ohne Pause. Mal ist es nur eine Kurzversion.
„Es war Chaos, aber irgendwie waren die Theater unglaublich gut vorbereitet und habens mit ganz viel Liebe zum Detail geschafft, auch den Zuschauer:innen ein sicheres Gefühl zu geben.“
Julia Gaméz Martín, Suchtpotenzial Comedy
Die Corona-Pandemie hat Julia Gaméz Martín aber nicht nur als Künstlerin beschäftigt. Ihr Vater lebt und arbeitet als Arzt in einem Krankenhaus in Malaga, Spanien. Sie hat Cousinen und Cousins, die in Madrid und Barcelona leben. Während es in Madrid richtig schlimm war, war es in Barcelona weit weniger heftig. Die Künstlerin bekommt also hautnah mit, wie die Pandemie auch ihre Familie in Spanien betrifft. Sie findet, die Spanier:innen haben das ziemlich gut gemacht – im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Denn die Mentalität ist einfach eine andere, sagt sie. Dort leben die Menschen und Familien viel enger zusammen als in nördlichen Gefilden.
„Für die ist das, glaub ich, viel viel schwieriger gewesen, als für so nordische Mentalitäten, die relativ gut damit klar kommen, distanziert zu sein und auf Abstand zu gehen. Das ist dort gar nicht denkbar.“
Julia Gaméz Martín, Suchtpotenzial Comedy
Für ihren Vater im Krankenhaus war das eine harte Zeit, erzählt Julia Gaméz Martín. Viele Kolleg:innen ihres Vaters erkranken an Covid19, zwei Bekannte sterben an den Folgen der Sars-COV-2-Infektion.
Als die Sängerin im Juli ihre Familie in Spanien besucht, ist ihr vieles, das mal vertraut war, fremd, Der Abendspaziergang an der Strandpromenade findet zum Beispiel mit Maske statt. Es ist einfach nicht das Gefühl, das sie mit ihrer Heimat verbindet.
Bahnfahren während der Pandemie
Zurück in Deutschland ist Julia Gaméz Martín vor allem mit der Bahn unterwegs zu ihren Auftritten. Mit Maske versteht sich. Und sie fühlt sich sicher, sagt sie. Sie findet Bahnfahren sogar viel angenehmer als sonst. Ohnehin hat sie sich als Sängerin auch vorher schon viel strenger an Hygieneregeln gehalten, sich vor allem in der Erkältungszeit häufig die Hände gewaschen. Denn als Sängerin kann sie sich keine Erkältung leisten. Keine Stimme, keine Auftritte, keine Kohle.
„Als Sängerin war ich immer vorsichtig schon, egal, wo ich hin bin. Gerade in der Erkältungszeit weiß ich, ich wasch mir zwei, drei Mal mehr die Hände“
Julia Gaméz Martín, Suchtpotenzial Comedy
Aber im ICE und den Regionalbahnen, in denen Julia unterwegs ist, stellt sie fest, dass die Menschen durchaus mehr Rücksicht nehmen, distanziert sind, sich beim Einsteigen und Aussteigen mehr Platz lassen. Etwas, dass auch im Normalfall eigentlich auch wünschenswert wäre.
Und trotzdem: Aufgrund der Hygienekonzepte und verschiedener Vorschriften waren deutlich weniger Menschen in den Theatern. Zur Eindämmung der Pandemie sicher sinnvoll. Aber weniger Publikum heißt wirtschaftlich betrachtet auch weniger Einnahmen. Für die Spielstätten und die Künstler:innen. Bei gleicher Arbeit und noch größerem Aufwand. Niemand muss ein Mathegenie sein, um auszurechnen: Wirtschaftlich ist das eine ganz ganz schwierige Nummer.
Niemand ist gerne finanziell abhängig vom Staat
Natürlich gab es staatliche Hilfen. Aber auch die sind nicht bei allen angekommen, sagt Julia Gaméz Martín. Zum einen, weil die Behörden mit dem ganzen Papierkram überlastet waren. Zum anderen aber auch, weil bestimmte Aspekte der Selbständigkeit von Künstler:innen nicht mitgedacht worden sind. Solokünstler:innen haben häufig nicht allzu hohe Betriebskosten. Also außer für den Eigenbetrieb. Aber der war darin gar nicht mit eingeschlossen. Bezuschusst wurden Kosten für Mitarbeitende oder das Büro zum Beispiel. Wer zu Hause arbeitet, geht leer aus.
Einige Kunstschaffende sind deshalb wieder zurück in ihre alten Berufe gegangen, haben auf dem Bau gearbeitet oder als Hilfskraft in einem Supermarkt. Ein Veranstalter arbeitet wieder im Krankenhaus. Sich auf Kosten des Staates durchschlagen, das wollen die wenigsten.
„Das ist irgendwie traurig. Künstler:innen sind ja schon Kämpfernaturen und die wenigsten von denen möchten abhängig sein vom Staat.“
Julia Gaméz Martín, Suchtpotenzial Comedy
Auch Julia Gaméz Martín hat in ihrer ganzen Karriere nie Arbeitslosengeld beantragt oder Hartz IV bezogen. Seit Ende ihres Studiums sorgt sie alleine für ihren Unterhalt. Darauf ist sie stolz. Trotzdem blieb vielen anderen Kunstschaffenden in dieser Situation nichts anderes übrig als Geld vom Staat zu beantragen: „Das war für viele ein ganz, ganz schlimmes Gefühl“. Zusätzlich wurde einigen die Hilfe verwehrt. Ein Theater mit 20 Prozent Auslastung ist nicht überlebensfähig. Vor allem, wenn gerade sehr viel Geld in Hygienekonzepte und zum Beispiel Belüftung, Plexiglaswände, Desinfektionsmittel-Spender investiert wurde, damit überhaupt Veranstaltungen stattfinden können.
In der Politik spielen Künstler:innen und die Veranstaltungsbranche allerdings eine untergeordnete Rolle. Die Konzepte sind mau bis komplett untauglich und realitätsfremd. Und deshalb wird Anfang November demonstriert. Unter dem Motto: „Alarmstufe Rot – Ohne KunsT wird’s still“ gehen nicht nur in Berlin tausende Menschen auf die Straße. Gut organisiert und unter Einhaltung strenger Hygienemaßnahmen versteht sich.
„Ich glaube, auf den #alarmstuferot-Demos und in den Theatern war man sicherer als in jedem Bus und in jeder Bahn und in jedem Großraumbüro.“
Julia Gaméz Martín, Suchtpotenzial Comedy
Aber ist ja auch kein Wunder, wenn die Veranstaltungsbranche eine Demo organisiert, findet Julia Gaméz Martín. Viel Freiwillige haben sich für Ordnerjobs zur Verfügung gestellt. Haben darauf geachtet, dass Abstände eingehalten, Masken getragen und Hände desinfiziert wurden. Die Comedienne wünscht sich, dass die Demos Gehör gefunden hat. Dass es nicht sein muss, dass sie weiter auf die Straße gehen, um auf die Situation in der Kunst- und Kulturbranche aufmerksam zu machen. Denn es sollte selbstverständlich sein, dass Kultur systemrelevant ist – für die Menschen.
Kunst und Kultur gehören zur mentalen und psychischen Gesundheit. Theater sind Bildungsstätten. Dort wird nicht einfach nur unterhalten, es werden auch gesellschaftspolitische Themen verhandelt. In dem Ende Oktober beschlossenen Maßnahmenpaket wurden Theater mit der Unterhaltungsindustrie in einen Topf geworfen. Darunter fallen auch Wettbüros und Bordelle.
„Das geht in meinen Kopf nicht rein. Das ist nicht fair.“
Julia Gaméz Martín, Suchtpotenzial Comedy
Bei den Demonstrationen wurde vor allem eine andere Herangehensweise für einen finanziellen Ausgleich vorgeschlagen. Ursprünglich waren 75% des Umsatzes von November 2019 in Aussicht gestellt worden. Das hat aber mit der Lebensrealität von Künstler:innen wenig zu tun. Denn wer im November des Vorjahres zum Beispiel ein neues Programm ausgearbeitet hat, hat im Zweifel gar nichts verdient. Fairer wäre es, das Jahreseinkommen zu mitteln und davon 75% zu zahlen. So hat es auch Helge Schneider in einem Brief an Finanzminister Olaf Scholz formuliert, der vielfach in den sozialen Netzwerke geteilt wurde.
Auch ein bedingungsloses Grundeinkommen kann Julia Gaméz Martín sich vorstellen. Das würde vor allem die Ämter entlasten, die mit gleichem Personalstand plötzlich ein Vielfaches an Anträgen bearbeiten müssen. Eine komplette und verständliche Überforderung, die auch bedeutet, dass viele Hilfebedürftige einfach sehr lange auf Geld warten müssen.
„Die Forderung ist einfach nur, dass man sich tatsächlich mal beschäftigt mit der Lebensrealität der Veranstaltenden.“
Julia Gaméz Martín, Suchtpotenzial Comedy
Das Schwierige ist auch, dass bei 75% der Corona-Infektionen gar nicht bekannt ist, wo sie überhaupt stattgefunden haben. Veranstaltungen komplett zu untersagen ist im Prinzip ein Schuss ins Blaue. Auch in den Facebook-Gruppen der Künstler:innen ist nichts bekannt. Bei keinem der dort beteiligten Veranstaltenden sind seitens der Gesundheitsämter Gästelisten abgefragt worden, um potentiell Infizierte zu informieren. Das Schwierige daran ist: Auch hier ist nicht klar, woran das liegt. Da viele Gesundheitsämter überlastet sind, besteht die Möglichkeit, dass auch deshalb keine Kontaktlisten abgefragt wurden. Es ist verständlicherweise einfach unbefriedigend, so im Trüben fischen zu müssen. Für alle Seiten.
Von Seiten der Zuschauer:innen ihrer Shows hat Julia Gaméz Martín vor allem positive Rückmeldungen bekommen. Selbst Menschen, die sich vorher unsicher waren, ob es eine gute Idee ist, eine Veranstaltung zu besuchen, haben nach den Shows geäußert, dass sie sich in den Theatern gut aufgehoben gefühlt haben. Die Hygienekonzepte konnten also durchaus überzeugen.
Kultur muss sich eine Lobby schaffen
Julia Gaméz Martín hat deshalb das Gefühl, dass sich viele Politiker:innen während der Pandemie gar nicht mit der Kunst- und Kulturbranche beschäftigt, geschweige denn ein Theater oder Konzerthaus von innen gesehen haben. Theater sei halt nicht wie Disco oder Club, sagt die Sängerin. Im Gegenteil. Die Menschen säßen mit Abstand und Maske im Publikum, gehen auf gekennzeichneten Wegen durch die Säle. Da sei man sicherer als in jeder Einkaufsstraße und in jedem Drogeriemarkt.
„Kultur hat halt leider keine Lobby. Da sind auch alle Kulturschaffenden ein bisschen selber schuld dran. Ich hoffe, dass das vielleicht eine kleine, positive Sache ist, die aus dieser Krise hervorgeht. Dass man merkt: Die Kulturschaffenden müssen sich einigen und sich ein bisschen mehr gegenseitig unterstützen.“
Julia Gaméz Martín, Suchtpotenzial Comedy
Auch bei TV-Aufzeichnungen waren die Sicherheitsvorkehrungen enorm hoch. Inklusive Corona-Tests für alle teilnehmenden Künstler:innen. Eine Tatsache, die wenig kommuniziert wurde. Das hat Julia Gaméz Martín vor allem dann gemerkt, wenn sie Fotos mit Kolleg:innen gepostet hat – ohne Maske und ohne Abstand. Dabei waren alle beteiligten im Vorfeld negativ getestet worden. Eine Maßnahme, die im Übrigen auch an vielen Filmsets durchgeführt wird. Wer keinen negativen Corona-Test vorweisen kann, darf nicht ans Set.
Es ist einfach ein riesiger Aufwand, der rund um die Kultur in den letzten Monaten stattgefunden hat. Ein Aufwand, der auch mit Mehrkosten verbunden war. Weil alle wussten, was davon abhängt. Wäre auch nur in einem Theater ein Superspreading-Event bekannt geworden, hätte das Auswirkungen auf alle anderen Veranstaltungsstätten gehabt.
Kunst braucht Resonanz
An den Maßnahmen selbst lässt sich trotz aller Anstrengungen nichts mehr ändern. Die Spielstätten bleiben dicht im November. Und das musikalische Kabarett-Duo „Suchtpotenzial“ muss sich wieder neu überlegen, wie es diese unfreiwillige Pause mit Leben füllt. Und klar, vieles lässt sich digital umsetzen. Aber es ist eben etwas anderes, ob man auf einer Bühne steht und das Publikum vor der Nase sitzen hat, oder ob man eine anonyme Masse im Internet anspricht.
Von vornherein ist klar: Das Comedyprogramm funktioniert nicht ohne Publikum. Es braucht die Lacher, das Mitsingen, das Reinrufen – die Reaktion. Also machen die beiden Künstlerinnen Musik, schaffen sich in kürzester Zeit verschiedenste Songs drauf und performen aus dem Roxy in Ulm alle zwei Wochen ein Wunschkonzert. Die Rückmeldungen sind zum Teil überwältigend. Und trotzdem ist es gewöhnungsbedürftig, wenn nach einem Song niemand klatscht. Außer vielleicht den beiden anwesenden Technikern, die hin und wieder einen kleinen Trostapplaus spenden.
„Nachdem wir dann so ein bisschen gelernt haben, wie das funktioniert das System, wenn du streamst, dann hat das super Spaß gemacht.“
Julia Gaméz Martín, Suchtpotenzial Comedy
Sie nutzen das Interaktive, lesen Kommentare vor, verlosen Merch und kommen auf ganz andere Weise mit den Menschen in Kontakt als bei ihren Shows. Wie sehr sich die Menschen an den Bildschirmen von ihren Performances angesprochen gefühlt haben, erfahren sie aber erst als sie wieder live auf der Bühne stehen. Da kommen viele Zuschauer:innen nach den Shows um Danke zu sagen für die Ablenkung und Unterhaltung während des ersten Shutdowns. Weil die 14-täglichen Streams ihnen etwas gegeben haben, worauf sie sich freuen konnten. Und weil es einfach drei Stunden waren, in denen Corona eben nicht Thema war. Auch nicht in mauen Gags.
„Uns war das gar nicht so bewusst, wie sehr Musik, Kultur, Kunst, wie wichtig das ist für die Seelen der Menschen. Wie sehr die das brauchen dieses Zusammenzukommen in einem Theater. Emotionen zu spüren. Einfach mal zwei Stunden aus dem Alltag rausgerissen zu werden.“
Julia Gaméz Martín, Suchtpotenzial Comedy
Es sei auch ein wichtiger Katalysator, findet die Künstlerin. Die Leute drehen alle durch, in den sozialen Netzwerken, aber auch im echten Leben, werden Meinungsverschiedenheiten noch heftiger ausgetragen als ohnehin schon. Da sei abschalten und auch mal wieder ein bisschen Spaß haben super wichtig.
„Obendrein haben sie es uns mit finanzieller Unterstützung gedankt, ohne die wir es einfach nicht geschafft hätten in dieser Zeit.“
Julia Gaméz Martín, Suchtpotenzial Comedy
Digitalisierung der Theater
Ähnlich wie in vielen anderen Bereichen hat die Corona-Pandemie auch in der Kunst zu einer Beschleunigung der Digitalisierung geführt. Wir können inzwischen per Stream weltweit Theateraufführungen sehen. Live-Veranstaltung mit Publikum werden gestreamt. Wir können Tickets für gestreamte Lesungen buchen. Es werden neue Konzepte ausprobiert. Für Menschen, die weniger mobil sind oder die finanziellen Mittel nicht haben, ist es mitunter nach Jahren die erste Möglichkeit, überhaupt wieder an Kulturveranstaltungen teilzunehmen. Das ist die positive Seite.
Auf der anderen Seite steht die Befürchtung, dass sich die Umsonstkultur im Netz fortsetzt. Dass Künstler:innen eben kein Geld mehr bekommen für ihre Auftritte, weil es so leicht ist, sie im Netz anzusehen. Und das Livegefühl ist nicht zu ersetzen findet Julia. Es ist einfach eine andere Energie da, wenn man live vor Publikum spielt. Und für viele Menschen ist es einfach auch wichtig, unter Menschen zu sein. Und das ist nicht zu ersetzen mit digitalen Möglichkeiten.
„Kultur ist immunsystemrelevant. Lachen ist gesund. Die Leute werden sonst deprimiert und depressiv zu Hause. Und das gehört ja auch zur „Volksgesundheit“ dazu.“
Julia Gaméz Martín, Suchtpotenzial Comedy
Keine Zeit für Novemberblues
Die Nachricht, im November nochmal in die Zwangspause zu müssen, war zunächst ein herber Schlag für die Kunst- und Kulturszene. Auch Julia Gaméz Martín hat das im ersten Moment ganz schön getroffen. Auch, weil so viel Energie investiert wurde, das alles irgendwie am Laufen zu halten.
„Als die Nachrichten kamen war ich sauer und wütend und sehr, sehr traurig. Und ich hab gedacht: Ich hab keinen Bock mehr. Aber Kulturschaffende sind nicht die Menschen, die aufgeben und resignieren. Und ich bin genauso.“
Und deshalb hat Julia Gaméz Martín nach ein paar Tagen Frust und schlechter Laune den Schalter wieder umgelegt. Zusammen mit Ariane Müller hatte sie schon Ende Oktober 2020 eine Liste gemacht mit Dingen, die sie gerne im November umsetzen wollen. Und so ist unter anderem das erste Podcastprojekt der beiden Künstlerinnen entstanden.
Denn sie fühlen sich auch verantwortlich für ihre Fans. Was nicht heißt, dass Julia Gaméz Martín allein aus altruistischen Gründen Kunst macht. Natürlich mag sie es, auf der Bühne zu stehen, mag den Applaus und Geld verdienen mit Kunst ist neben Berufung eben auch Beruf. Trotzdem sieht sie sich vor allem als Servicekraft im Sinne der Gemeinschaft:
„Ich bin auch Dienstleisterin und ich mache das vor allem, weil ich Menschen glücklich machen möchte. Das ist auch eine soziale Komponente, die wir alle haben.“
Julia Gaméz Martín, Suchtpotenzial Comedy
Julia Gaméz Martín hofft jetzt, dass der Shutdown im November erfolgreich ist. Dass die Infektionszahlen wieder sinken. Und dass im Dezember wieder Veranstaltungen vor Publikum möglich sind. Unter welchen Voraussetzungen das möglich ist, hat die „Restart-19-Studie“ der Uni Halle beispielhaft gezeigt, deren Ergebnisse am 29. Oktober 2020 veröffentlicht wurden. Bei einem Konzert von Tim Bendzko wurden Ende August verschiedene Szenarien durchgespielt und das Ansteckungspotential bewertet. Entscheidend für das Ansteckungsrisiko ist dabei vor allem die Belüftung. Das belegen inzwischen auch weitere Studien.
Comments by Frau Nora
„Ich hab mich durch die Depression selber kennengelernt“
"Vielen Dank für die Wertschätzung. Und auch fürs Teilen..."
„Eine Depression ist ’ne sehr, sehr einsame Kiste“
"Liebe Julie, vielen Dank für deine Nachricht. So schlimm..."
„Wir versuchen trotzdem den Schülerinnen und Schülern ein Stück Normalität zu geben.“
"Liebe Anne, ganz herzlichen Dank für deine wertschätzende..."
„Eine Depression ist ’ne sehr, sehr einsame Kiste“
"Liebe Svea, vielen Dank für deinen lieben Kommentar. Ich..."
„Eine Depression ist ’ne sehr, sehr einsame Kiste“
"Liebe Viktoria, ganz herzlichen Dank dir für deine nette..."