Mara Pfeiffer ist Journalistin, Bloggerin, Autorin und neuerdings auch Podcasterin. Ihr Themengebiet: Fußball.

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Eigentlich lief alles super. Zwei Tage vorm Weltfrauentag wurde das neue Podcast-Baby in die Welt entlassen: FRÜF – Frauen reden über Fußball. Ein Podcast von einem Kollektiv aus fußballinteressierten Frauen, zu dem auch Mara Pfeiffer gehört. Mara Pfeiffer kennt das Geschäft rund um den Fußball gut. Die Journalistin und Bloggerin schreibt für eine Lokalzeitung zum Thema Fußball und widmet sich speziell Mainz 05. Mit ihrer Leidenschaft für den Bundesliga-Verein geht sie offen um. Ihr journalistischer Umgang bleibt kritisch und zugleich durch den Blick der Kolumnistin persönlich gefärbt.

Mitunter erreichen sie mitunter Mails von meist männlichen Lesern, die ihr jegliche Kompetenz beim Thema Fußball absprechen. Inhaltlich ist die Kritik selten, klar wird aber, was die Mailschreiber für die Ursache ihrer angeblich mangelnden Kompetenz halten: Ihr Geschlecht. Und nicht selten wird diese Position auch recht derbe ausgelegt. „Ihnen ist wohl beim Schreiben die Milch eingeschossen“ gehört da noch zu den harmlosen Beleidigungen

„Diese geschlechtsspezifische Kritik, die ja im Fußball in einigen Bereichen noch sehr stark vorhanden ist, ist etwas, worauf natürlich niemand Bock hat.“

Mara Pfeiffer

Mit FRÜF soll deshalb auch ein Gegengewicht gesetzt werden. Denn selbstverständlich haben Frauen Ahnung von Fußball. Was sollte das Geschlecht da auch für eine Rolle spielen. Trainingswissenschaften, Spielregeln, Taktik sind nichts, was plötzlich zum Buch mit sieben Siegeln wird, sobald eine Frau sich damit beschäftigt. Und so hat FRÜF schon bevor die erste Folge veröffentlicht war für ziemlich viel Aufmerksamkeit gesorgt. Sogar beim Deutschlandfunk wurde der Podcast vorgestellt.

Doch dann kam der nicht so schöne Part. Es gab Hinweise darauf, dass sich ein anderer Fußball-Podcast mit FRÜF beschäftigt hatte – und das auf eine Weise, die einigen Hörern seltsam vorkam und die zumindest nahelegten: Das, was da passiert, ist ein Form von digitaler Gewalt. Also haben Mara Pfeiffer, das FRÜF-Team und viele andere Hörer:innen sich die entsprechende Passage angehört.

Wenn neben Kompetenz die Fickbarkeit diskutiert wird

Es tut mir leid, dass ich an dieser Stelle so drastisch werden muss, aber es ist schon wichtig zu wissen, worum es ging. Und es ging genau darum. Die Teilnehmer des Podcasts haben gemeinsam über FRÜF diskutiert. Dass dort mit Kommentaren wie „da sind schon Frauen bei, die durchaus Ahnung haben“ bereits ein Machtverhältnis etabliert wird, ist noch nicht das Schlimmste. Denn, sagt Mara, sie braucht eigentlich niemanden, der ihr den Segen erteilt und wohlwollend ihre Kompetenz anerkennt. Im Verlauf des Gesprächs wird dann die Website von FRÜF angesteuert, die Liste der Podcasterinnen abgearbeitet – und die Fotos der Frauen einer Beurteilung unterzogen.

Schnell werden körperliche Merkmale herangezogen, darüber diskutiert, ob Frauen, mit ein bisschen mehr auf den Hüften grundsätzlich fickbar seien – und als dann das Mara Pfeiffers Bild auf der FRÜF-Seite an der Reihe ist, fallen Äußerungen wie, dass man sie gerne mal „in einer Turnhalle zimmern würde.“. In einem Tweet macht Mara Pfeiffer ihrer Wut Luft:“Ich möchte in keiner Turnhalle gezimmert werden. Auch dann nicht, wenn man zuvor meine Arbeit gelobt hat.

Mara Pfeiffer am 12.03.2019 auf Twitter

Als ich davon lese, werde ich co-wütend. Denn in meiner Wahrnehmung ist das im Prinzip nichts anderes als eine verbalisierte Vergewaltigungsphantasie. Überzogen? Nun, man stelle sich diese Szene einfach mal in der Realität vor. Die Frau hat keinen aktiven Part in dieser Vorstellung, sie wird ja nicht gefragt. Im Gegenteil, sie wird zum Objekt degradiert, das jederzeit den eigenen Gelüsten zur Verfügung steht. Es ist verbale Gewalt, es ist Erniedrigung, es ist Demütigung und es ist auch nicht normal, so zu reden. Sowohl das Männerbild als auch das Frauenbild dahinter ist hoch fragwürdig. Auch Mara Pfeiffer ist fassungslos als sie den Ausschnitt hört.

„Es ist demütigend und es fühlt sich auch wirklich schlimm an.“

Mara Pfeiffer

Was aber noch hinzu kam: Mit diesem Gefühl war Mara Pfeiffer nicht alleine. Es haben sich Frauen bei ihr gemeldet, die sexuelle oder sexualisierte Gewalt erlebt haben und die dadurch getriggert worden sind. Weil sie die Szene als bedrohlich erlebt haben.

Mara Pfeiffer hat dennoch versucht, möglichst vernünftig mit der Situation umzugehen. Und sie sagt auch: Ja, klar, manche Männer sprechen so. Am Stammtisch. Oder in der Umkleide. Das ist dann auch nicht cool, aber es bleibt eben in diesem geschlossenen Raum. Mit der Veröffentlichung in einem Podcast bekommen diese Talks aber eine ganz andere Wirkung. Dann ist das eben kein Privatgespräch in einer Männerrunde mehr. Was Mara Pfeiffer vor allem fehlt ist der Moment, in dem einer der Männer erkennt: OK, da haben wir uns ein bisschen davontragen lassen. Aber das ist nicht cool. Das können wir so nicht veröffentlichen – und der Part ist ja auch gar nicht so wichtig. Wir schneiden das raus. Genau das hat nicht stattgefunden. Es gab einfach keinen Moment der Selbstregulation.

Kontext, Privatheit und Öffentlichkeit

Meiner Meinung nach fehlt da ein Bewusstsein über die Macht von Sprache und die Macht von Frames. Und auch ein Bewusstsein darüber, dass Dinge ihre Bedeutung verändern können, wenn sie ihren Kontext verändern. Denn mit der Veröffentlichung bekommen die Aussagen automatisch mehr Gewicht. Und mit zunehmender Anonymität, weil ich die Menschen eben nicht persönlich kenne, kann ich auch nicht mehr erkennen, wie etwas im Zweifel gemeint war. Und gerade wenn es um Menschen geht, die Diskriminierungen ausgesetzt sind, ist ein zweiter Gedanke daran, was Worte auslösen können, selten falsch. Denn auf der anderen Seite des Bildschirms oder am anderen Ende der Kopfhörer sitzen in dem Fall Menschen mit Gefühlen, die verletzt werden können. Wer da vor allem an die Einschränkung der eigenen Freiheiten denkt, hat ganz grundsätzlich etwas nicht verstanden, findet Mara Pfeiffer.

„Wir bewegen uns nicht in einem Bereich, wo die Freiheit von Menschen eingeschränkt wird, indem man ihnen sagt: Das ist nicht OK. Das ist eine Abwehrhaltung, die ich nicht mehr bereit bin zu akzeptieren, weil es einfach möglich sein muss, Grenzüberschreitung anzusprechen, und weil es erwartbar sein muss, dass die Leute, die diese Grenzen überschreiten, sich damit auseinandersetzen müssen, warum es diese Grenzen gibt.“

Mara Pfeiffer

Dass das Internet oder in diesem speziellen Fall Twitter schuld daran sind, dass es zu dieser Form von sexualisierter Gewalt kommt, findet Mara Pfeiffer ganz eindeutig nicht. „Die Menschen haben sich schon immer daneben benommen“, findet sie. Da braucht es kein Internet zu. Aber das Internet verstärkt diesen Effekt und schafft Öffentlichkeiten, wo vorher eben keine Öffentlichkeiten waren.

Und was uns an dieser Stelle auch noch wichtig ist zu sagen: Mara Pfeiffer und ich sind uns bewusst, dass wir als weiße Frauen immer noch privilegiert sind gegenüber Frauen oder Transpersonen, die von Mehrfachdiskriminierung betroffen sind. Wie zum Beispiel Musliminnen, People of Colour, schwarze Frauen, Transpersonen oder Menschen mit Behinderungen. Da findet Diskriminierung gleich mehrfach statt und zu sexualisierter Gewalt gesellen sich auch noch Rassismus, Ableismus, Hass gegen Muslim, Homosexuelle oder Transpersonen – und häufig haben gerade diese Menschen eine noch geringe Lobby und erfahren noch weniger Solidarität, weil sie grundsätzlich weniger sichtbar sind. Mit anderen Worten: Digitale oder digitalisierte Gewalt ist ein Problem. Und zwar ein großes, für das wir als Gesellschaft Lösungen finden müssen. Aufmerksamkeit und Solidarität sind gerade hier angezeigt.

Blocken ist eine Option

Auch Mara Pfeiffer war schon an dem Punkt, an dem ihr die Reaktionen, die ihr bei manchen Themen im Netz entgegenschlagen, zu heftig wurden. Auch wenn sie blocken für das letzte Mittel hält, manchmal geht es einfach nicht anders. Es geht darum, schwierige Situationen aushaltbar zu machen, weil für sie ein Rückzug aus dem Netz nicht infrage kommt. Dann würde ihre Stimme nicht mehr gehört werden – und damit noch eine weibliche Stimme weniger. Silencing nennt das Anne Roth, die sich schon lange mit dem Thema digitale Gewalt beschäftigt und darüber auf dem 35. Chaos Computer Congress einen Talk gehalten hat. Mara Pfeiffer will sich durch den Hass nicht stumm schalten lassen. Im Gegenteil. Sie will das öffentlich machen, damit Menschen verstehen, was diese Grenzüberschreitungen auslösen – und wie man ihm auch entgegenwirken kann.

„Wenn Frauen an diesen Punkt kommen ist es wichtig, dass sie wissen: Wo kann ich hingehen, mit wem kann ich sprechen, wer kann mich bestärken, wer kann mir Handreichungen geben, wie ich mit diesem Punkt umgehe. Denn das verkehrteste, was passieren kann, ist, dass Frauen sich an diesem Punkt zurückziehen.“

Mara Pfeiffer

Trotzdem überlegen sich viele Frauen gut, wann sie was ins Netz setzen. Ich selber zum Beispiel twittere nicht zu brisanten Themen kurz bevor ich schlafen gehe. Denn im Falle eines Shitstorms ist es vor allem wichtig, schnell zu reagieren. Sonst haben sich die Dinge bis zum nächsten Morgen verselbständigt. Wirkliche Kontrolle darüber erlangt man trotzdem nicht. Zu gewissen Teilen ist das Netz unberechenbar und es ist nicht immer abzusehen, wann eine Äußerung plötzlich hochgespült und als Anlass für eine Empörungswelle genutzt wird.

Was wir brauchen, um dieses Problem anzugehen, ist ein grundsätzliches Bewusstsein darüber, dass digitale Gewalt eben nicht nur im digitalen verbleibt, sondern ins echte, analoge Leben hineinwirkt. Und dort zu echten Problemen führt, psychisch und physisch. Ein Bewusstsein, dass auch beim Gesetzgeber noch nicht richtig angekommen ist. Dabei würde es in vielen Fällen reichen, bestehendes Recht konsequent anzuwenden. Darauf sind aber nicht alle öffentlichen Stellen ausreichend vorbereitet, sagt auch Anne Roth, Referentin für Netzpolitik bei „Die Linke“ im Netzpolitik-Podcast über Digitale Gewalt.

Dokumentieren und Hilfe holen

Mara Pfeiffer ist jedenfalls dazu übergegangen, die Fälle zu dokumentieren, in denen ihr Hassnachrichten geschickt oder Gewalt angedroht werden. Sie hat einen dicken Ordner voller Screenshots, mit dem sie im Zweifel Vorfälle belegen kann, auch wenn die entsprechenden Nachrichten längst wieder gelöscht wurden.

Was im akuten Fall auch hilft: Aktiv Hilfe einfordern. Zum Beispiel im eigenen Netzwerk Leute auffordern, sich mit einem zu solidarisieren. Oder auch selber die Person sein, die sich mit anderen solidarisiert. Das muss nicht immer unbedingt öffentlich passieren. Eine Direktnachricht mit der Frage, ob alles in Ordnung ist oder ob Hilfe benötigt wird, kann schon viel bewirken und zeigen: Hier sind Menschen, die sich diesem Hass nicht anschließen. Das gilt selbstverständlich geschlechtsübergreifend. Denn egal, was jemand schreibt oder sagt: Die Androhung von Gewalt hat niemand verdient – erst recht nicht, die Androhung sexualisierter Gewalt. Und da ist es ganz egal, was vorher gewesen ist. Dann doch lieber den Inhalt bei den entsprechenden Stellen melden, statt auf Hasspostings mit Hasspostings zu reagieren und die Spirale immer weiter zu drehen.

Links zum Thema digitale Gewalt und Hass