Daniela Mayer ist Autorin und Redakteurin und betreut verschiedene Kabarett- und Comedyformate für den WDR und den Deutschlandfunk. Zum Beispiel das Portraitformat Querköpfe oder Satire deluxe auf WDR5 und den „Zugabe„-Podcast von WDR2, um nur einige zu nennen. Unabhängig voneinander haben wir uns zuletzt beide über sehr männerdominierte Comedy-Programme via Facebook echauffiert. Daniela Mayer über ein neues Comedy-Format des MDR, das in der Pilotfolge ausschließlich mit Männern besetzt ist – ich über ein Plakat des Bürgerzentrum Köln-Nippes, auf dem nur eine einzige Frau dabei war – im Rahmen eines Ensembles. So geht das nicht, haben wir gedacht – und kurzerhand beschlossen, dass wir da mal drüber sprechen.

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Im Prinzip drängt sich natürlich gleich die Frage auf, warum Daniela Mayer als Redakteurin eher im Hintergrund arbeitet, statt selber auf der Bühne zu stehen und als Autorin Texte für Satire und Kabarett zu schreiben. Wer den Mangel an Frauen in der Unterhaltung beklagt, könnte ja einfach selbst das Heft in die Hand nehmen. Aber so einfach ist das natürlich nicht – und das stellt sich auch im Verlauf unseres Gesprächs heraus.

Dabei hat Daniela Mayer durchaus auch schon selber als Autorin Texte für Comedy und Unterhaltung geschrieben, früher allerdings mehr als heute.

„Ich hab das früher mehr gemacht, wobei ich nie Satire-Autorin war. Aber ich bin inzwischen wirklich in der klassischen Redakteursrolle. Das heißt, ich suche mir Leute, die das besser können als ich und packe die zusammen in eine Sendung.“

Daniela Mayer

Ursprünglich hat Daniela Mayer Politikwissenschaften studiert und es war gar nicht von Anfang an ihr Plan, einen Job zu machen, der mit Satire, Comedy und Unterhaltung zu tun hat. Aber dann kamen während des Studiums die ersten Schritte im Journalismus – und eher durch Zufall landet Daniela Mayer dann bei der Unterhaltung. Das hat ihr dann allerdings so gut gefallen, dass sie auch in ihrem Studium dann einen Schwerpunkt auf politische Satire und Kabarett gelegt hat.

„Politische Satire ist für mich die Verbindung von Show, was ich sehr gerne mache, aber eben auch Politik. Da kommt alles wieder zusammen.“

Daniela Mayer

Und aktuell ist tatsächlich eine Hochzeit für politisches Kabarett und Satire. Auch wenn dank Episoden wie des Twitter-Battles zwischen Akteur:innen der CDU und dem Youtuber Rezo das Geschäft ein Hartes ist, denn bei so viel Realsatire fällt es nicht immer leicht, nochmal einen drauf zu setzen. Aber grundsätzlich sind es einfach spannende Zeiten, in denen wir leben, und in denen es sehr viel zu kommentieren gibt – eben auch satirisch.

„Wir sitzen täglich zusammen und überlegen, was wir im Netz machen. Und denken dann: Was sollen wir noch dazu sagen? Der Witz ist schon ausgereizt allein durch die Tatsache, dass das existiert.“

Daniela Mayer

Wobei die Satire verglichen mit dem Kabarett den etwas leichteren Job hat, erklärt Daniela Mayer. Denn dem Kabarett wird häufig der Vorwurf gemacht, bloßes Gesinnungskabarett zu sein. Weil es natürlich aktuell einige Selbstläufer gibt. Sag was schlechtes über die AfD, bekommst du Applaus. Mach einen Witz über Philipp Amthor, bekommst du auch Applaus. Und im Prinzip muss das Kabarett die Steilvorlagen auslassen, und die Pointen differenzierter setzen. Bei einem grundsätzlich linken Kabarett, das schon immer gegen bestimmte Personen geschossen hat, ist das einfach schwieriger.

Kabarett kommt aus einer Tradition, in der immer stärker das Konservative im Mittelpunkt der verbalen Angriffe stand. Und in den 20er und 30er Jahren natürlich der Faschismus. Satire ist da offener, sagt Daniela Mayer, aber auch hier herrscht in der Regel eine klare, humanistische Haltung vor. Zumindest hier in Deutschland. In Frankreich hingegen, schießen Satiriker:innen auch gerne mal gegen links.

Traditionell war diese Szene in der Vergangenheit vor allem männlich geprägt. Aber, sagt Daniela Mayer, es gab durchaus auch schon früher starke Bestrebungen von Frauen ins Kabarett zu gehen. Zum Beispiel in den 80ern mit der Gruppe Misfits, zu der auch Gerburg Jahnke gehörte, die bis heute als Kabarettistin auf der Bühne steht. Dann kam allerdings wenig nach. Und das, obwohl es durchaus auch in den 90ern zumindest in der Comedy wirklich bekannte Frauen gab, wie zum Beispiel Esther Schweins, Tanja Schumann, Mona Sharma, Petra Nadolny oder Mirja Boes. Aber danach ist irgendwie ein Lücke.

„Bei den Männern schafft es das Mittelfeld auch nach vorne. Bei den Frauen schafft es das Mittelfeld nicht nach vorne.“

Daniela Mayer

Und ein bisschen liegt das auch daran, dass natürlich vorne durchaus große Frauen zu sehen sind. Wie zum Beispiel Hazel Brugger, Martina Hill, Carolin Kebekus, Thanee und Idil Baydar – aber dahinter, in der Breite, passiert sehr wenig. Und genau das, sagt Daniela Mayer, ist bei den Männern anders. Da gibt es ein großes Feld von mittelmäßigen Kabarettisten, die ebenfalls ihre Bühnen finden. Und das auch für Frauen zu ermöglichen, das ist eine große Aufgabe.

Die Stadthallen-Klasse

Wer sich mal ganz bewusst Plakate und Veranstaltungshinweise für Kabarett- oder Comedy-Veranstaltungen anschaut, merkt schnell: Da wird vor allem auf Veranstaltungen von Männern hingewiesen. Egal ob auf dem Plakat des Bürgerzentrums Köln-Nippes – oder in der neuen Show des MDR, die in der ersten Folge komplett ohne weibliche Beteiligung auskommt, dafür aber sieben Männer im Programm hat.

Das Phänomen, dass vor allem in ländlichen Regionen vor allem Veranstaltungen mit männlichen Kabarettisten oder Comedians beworben werden, hat auch strukturelle Gründe. Denn oft gibt es nur einen größeren Veranstaltungsort – und das ist die Stadthalle. Es werden also vor allem Künstler:innen gebucht, die eine breite Masse ansprechen und diese Stadthalle möglichst füllen können. Es gibt dafür tatsächlich auch den Begriff „Stadthallenklasse“ für Künstler:innen, die eben diesen Attraktionsfaktor haben. Und das sind aktuell vor allem Männer. Kleinere Bühnen, auf denen auch Künstler:innen auftreten könnten, die ein nicht ganz so großes Publikum ansprechen, sind dagegen in ländlichen Gegenden wesentlich seltener – und deshalb finden einfach auch weniger Veranstaltungen mit Frauen statt.

„Das ist jetzt gewachsen, weil die Frauen über Jahre nicht so gefördert wurden, dass sie eine Chance haben, so eine Halle zu füllen. Die sind meistens froh, wenn mal 300 Leute kommen.“

DIE STADTHALLENKLASSE

Daran wird sich auch kurzfristig nichts ändern lassen, erklärt Daniela Mayer. Das ist eher ein Prozess, für den sie zehn bis fünfzehn Jahre veranschlagt. Es gibt aber auch Landstriche in Deutschland, wo es anders läuft. Denn im Norden Deutschlands sind Satire und Comedy gar nicht so groß, dafür hat der Poetry Slam da ein großes und treues Publikum gefunden. Und da beginnt es, sich zu drehen. Weil auch die Veranstalter darauf achten, Frauen mit auf die Bühne zu holen.

Frauenhumor ist kritischer

Es gibt aber auch einen deutlichen Unterschied im Umgang mit weiblichem Humor im Netz. Denn zu Daniela Mayers Job gehört es auch, Videoschnipsel oder markige Sprüche fürs Netz aufzubereiten. Und da erlebt sie, was Frauen an sich häufig erleben, wenn sie sich öffentlich kritisch zu Politik oder politischem Geschehen äußern: stark übergriffiges Verhalten von Männern, verbale sexualisierte Gewalt, die bis hin zu Morddrohungen reicht gegenüber Frauen, die es wagen, sich öffentlich zu äußern.

„Eine Frau macht einen Witz, und der wird sofort analysiert. Ein Mann haut einen Witz raus und entweder ist der lustig oder nicht. Und bei einer Frau wird das immer hinterfragt. Einer Frau wird ein Witz viel übler genommen als einem Mann.“

Daniela Mayer

Eine der wenigen Frauen, die sich da gut emanzipieren konnte, ist Carolin Kebekus. Wobei wir auch da nur beurteilen können, was öffentlich lesbar ist oder was sie öffentlich macht. Aber die Comedienne Sarah Bosetti bekommt immer wieder krasse Hasskommentare bis hin zu Morddrohungen. Und es fühlen sich auch Menschen bemüßigt zu kritisieren, dass sie auch schwanger noch auf der Bühne steht.

„Das ist Wahnsinn, wie aggressiv vor allem Männer werden auf kritischen Humor, wollen wir es mal so sagen, das dürfen Frauen immer noch nicht.“

Daniela Mayer

Interessanterweise gibt es auch hier einen Generationenbruch. Während ein älteres oder konservativeres Publikum sich immer noch vehement wehrt, wenn es um weibliche Satire geht, zeigt sich die jüngere Generation davon gänzlich unbeeindruckt. Da stehen junge Frauen Anfang 20 wie selbstverständlich auf der Bühne und erzählen in Stand up Nummern von Menstruation und Masturbation. Auch die Veranstalter haben da verstanden, dass es langsam peinlich wird, wenn keine Frauen im Programm auftauchen.

„Ich glaube, in zehn Jahren diskutieren wir anders über dieses Problem. Weil auch die Veranstalter, die übrigens sehr oft auch immer noch Männer sind, ziehen da tatsächlich mit.“

Daniela Mayer

Abseits der Bühne

Während sich auf den Bühnen langsam etwas bewegt und Veränderung einsetzt, sieht es hinter den Kulissen noch dramatischer aus, sagt Daniela Mayer. Denn es gibt nur ganz wenige Comedy- oder Satire-Autorinnen. Also Frauen, die eben Texte für Comedy, Satire und Kabarett schreiben, ohne selber damit auf einer Bühne zu stehen. Das führt dazu, dass auch die Texte und Gags vieler Comediennes von Männern geschrieben werden.

„Das ist was, wo wahnsinnig viel passieren muss und wo ich im Moment auch noch nicht sehe, dass sich das ändert.“

Daniela Mayer

An dieser Stelle sei vor allen Dingen auch auf die Arbeit des Grimme Instituts verwiesen, dass mit seiner Comedy Master Class den Nachwuchs in diesem Bereich fördern möchte – und vor allem Frauen, die den Wunsch haben, sich dort auszuprobieren.

Was sehr interessant ist: Die Chefetagen sind im Kabarett sehr häufig auch mit Frauen besetzt – das setzt sich aber nicht nach unten durch. In den Redaktionen sind dann doch wieder vor allem Männer. Und Daniela Mayer ist als Frau auch in den Redaktionen, in denen sie aktuell arbeitet, eine Ausnahme. Trotzdem kann sie etwas bewegen, allein schon, weil sie darauf hinweist, dass zu wenig Frauen im Programm sind und sich aktiv darum bemüht, mehr Frauen auf die Bühne zu holen.

„Die Frauen trauen sich das ganz oft nicht zu. Und da nehm ich mich nicht aus. Ich hab eben gesagt, ich hab noch nie Satire geschrieben. Jetzt muss ich mich fragen, warum, und ich komme sofort zu der Antworte: Ich bin nicht witzig.“

Daniela Mayer

Der Maßstab, den Frauen an sich selbst legen, ist häufig so hoch, dass sie daran im Prinzip nur scheitern können. Daniela Mayer erlebt Frauen auch in der Zusammenarbeit häufig als vorsichtiger – und angegriffener von Kritik. Nicht in der Form, dass sie diese nicht annehmen würden. Sondern eher so, dass sie, wenn Kritik geäußert wird, schneller aufgeben. Dabei gibt sie zu bedenken, dass Satire und Comedy wirklich schwierige Disziplinen sind. Selten sitzt ein Stück beim ersten Versuch. Häufig werden die Texte drei, vier oder fünf Mal um- oder neu geschrieben, bevor sie wirklich so sind, dass sie auch gut funktionieren. Es wird an Ideen gefeilt. Das hat nichts mit Qualität zu tun.

Es geht vor allem auch darum, das Scheitern in den geschützten Räumen der Redaktion zu ermöglichen, um eben nicht nachher auf der Bühne zu scheitern. Aber genau hier sieht Daniela Mayer auch einen Knackpunkt. Denn häufig waren die Redaktionen eben nicht die geschützten Räume, die sie sein sollten. Und auch sie als Redakteurin hat zu Beginn erst lernen müssen, satirische Texte entsprechend zu redigieren und zu kommunizieren, was ihr da zum Beispiel fehlt, wenn ein Text beim ersten Mal eben noch nicht so richtig gezündet hat.

Und noch einen dringenden Appell hat Daniela Mayer an die Frauen da draußen: Traut euch. Und vielleicht meldet sich ja nach diesem Einblick in die Welt von Kabarett und Comedy tatsächlich die ein oder andere bei ihr, um sich auch als Autorin in dieser Disziplin auszuprobieren.